Titelblatt "Der Wahre Jacob"

Der Wahre Jacob

Stuttgart 1884 – 1923, 1927 – 1933

13.400 Seiten auf 176 Mikrofiches, 2001, ISBN 3-89131-373-X
Diazo (negativ): EUR 850,– (exkl. MwSt.) / EUR 1.011,50 (inkl. MwSt.)
Silber (positiv): EUR 1.020,– (exkl. MwSt.) / EUR 1.213,80 (inkl. MwSt.)

In dreifachem Sinne steht das sozialdemokratische Blatt zwischen den beiden anderen großen Satire-Zeitschriften, dem 1848 in Berlin begonnenen Kladderadatsch und dem ab 1896 in München erschienenen Simplicissimus, mit denen zusammen es die Trias der wichtigsten deutschen Vetreter der über einen längeren Zeitraum erschienenen politischen Satirepresse bildet: der Verlagsort Stuttgart zwischen Berlin und München, der Erscheinungsbeginn 1884 zwischen 1848 und 1896, aber auch: das linke Blatt zwischen dem preußisch-konservativen und dem eher süddeutsch-liberalen Konkurrenten.

Das Programm des Wahren Jacob, »in seiner eigenartigen und wirksamen Weise für die Rechte des arbeitenden Volkes zu streiten«, wurde Erfolg: 1890 betrug die Auflage 100.000 Exemplare, 1912 wurden über 380.000 verkaufte Hefte gezählt.

1886 schrieb die Redaktion ein Gedicht an ihre Getreuen, das ihr Selbstverständnis in Heinrich Heineschem Tonfall beschreibt:

Die alte Welt ist krank und wund
Und macht gar Manchen trauern,
Doch wird sie wohl auch wieder gesund,
Das kann nicht ewig dauern.
Wie vieles ist so krumm und dumm!
Guck nur hinaus zum Fenster!
Es laufen auf der Straß' herum
Am hellen Tag Gespenster.

Flieht uns auch heute noch das Glück,
Darf's uns verzagt nicht machen,
Wir sollen einen Augenblick
Auch manchmal fröhlich lachen.
Sie möchten wohl herein in's Haus,
Sie möchten uns plagen und schinden;
Wie lachen sie hinaus,
Daß sie im Nebel verschwinden.

Mit der Zeit ergab sich so viel Stoff, daß dem Hauptblatt, das für die aktuelle politische Satire zuständig war, eine Beilage angegliedert werden mußte, in der diejenigen Ereignisse besprochen wurden, die »für die Arbeiterwelt von Interesse sind«, eine Art eigenes Feuilleton für »geschichtliche, literar-historische und biographische Abhandlungen« für »geeignete Bilder aus dem politischen Leben, Humoresken, Gedichte nebst illustrativem Schmuck«.

Die erstaunlich vielen vorzüglichen Textsatiren, die bemerkenswerten excellenten Karikaturen, deren Witz bis heute wirksam ist – insgesamt gesehen stellt der Wahre Jacob eine besonders wertvolle, material- und kenntnisreiche Quelle dar, eine herbe und spitze Chronik der akuten und der chronischen Ereignisse, Vorkommnisse und Begebenheiten, ein Archiv der kritischen Zeitansichten im Kaiserreich, im Ersten Weltkrieg und in der Weimarer Republik.

Seinen Höhepunkt an satirischer Schärfe erreichte der Wahre Jacob mit seinem Feuerwerk an Spott über das heraufziehende Hitler-Regime zu Beginn der 30er Jahre. Mit dem Verbot seiner Partei endete auch die Zeitschrift mit Heft 8 im Jahr 1933.

Alfred Estermann